Am 22. September 2013 feierte Kroatiens Alt-katholische Kirche in Zagreb ihren 90. Geburtstag. So lange ist es her, dass sich dort eine römisch-katholische Reformbewegung durch Wahl und Weihe eines eigenen Bischofs (Marko Kalogjera) und durch den Anschluss an die Utrechter Union als eigene alt-katholische Kirche organisiert hatte.
Zu diesem Anlass wurden außer dem für Kroatien zuständigen Bischof Dr. John Okoro auch der Erzbischof von Utrecht, Dr. Joris Vercammen eingeladen. Bereits am Freitag vorher fuhren Bischof John und ich in meinem Auto nach Zagreb, um Gespräche, u.a. auch mit dem Synodalrat, zu führen und um den Gottesdienst mit vorzubereiten. Der Vorsitzende des Synodalrats, Herr Prof. Dr. Damir Boras, ist ein Enkel des ersten alt-katholischen Bischofs Kroatiens. Am Samstag trafen dann auch Erzbischof Joris und Bischof Bernhard Heitz, der bis 2010 für Kroatien zuständige Bischof, mit seiner Frau Monika ein. Auch ein Priester aus der Schweiz, Pfr. Nassouh Toutoungi (als Vertreter der Organisation „Partner Sein“), nahm am Sonntag an der festlichen Eucharistiefeier in der neu renovierten Filialkirche in Stenjevec, einem Vorort Zagrebs, teil, die im etwas modifizierten alten Ritus der kroatischen Kirche gefeiert wurde. Pfarrer Darko Mejaški, der Pfarrer der Zagreber Gemeinden, Pfr. Stjepan Topolski aus Šaptinovci und Pfr. Erich Ickelsheimer aus Klagenfurt feierten mit den drei Bischöfen die Liturgie.
Der gesamte Festgottesdienst wurde vom kroatischen Fernsehen live übertragen und von den beiden alt-katholischen Chören aus Zagreb und Šaptinovci musikalisch umrahmt. Neben offiziellen Vertretern der Stadt Zagreb, des Staates Kroatien und anderer christlicher Konfessionen nahm auch der höchste Vertreter des Islam in Kroatien, Mufti Aziz ef. Hasanoviæ (der u.a. an der Katholischen Fakultät der Zagreber Universität studiert hatte), am Gottesdienst teil. Nach der Liturgie gab es im Pfarrsaal bei einer kleinen Stärkung viel Gelegenheit zu Gespräch und Austausch und anschließend traf sich ein großer Teil der Festgemeinde zum Mittagessen in einem benachbarten Hotel. Überraschend und erfreulich ist, wie gut die kleine alt-katholische Gemeinschaft in Kroatien auch seitens der anderen Konfessionen und Religionen in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Die Alt-Katholiken Kroatiens empfanden es auch als große Ehre, dass drei Bischöfe, darunter der Erzbischof von Utrecht an ihrer Freude teilnahmen und dass nach allen Stürmen und Verfolgungen diese Gemeinde nicht nur noch am Leben ist, sondern wächst und unter der Leitung von Pfarrer Mejaški, gut und vernehmbar im Konzert der Kirchen und Religionen mitspielt
Am nächsten Tag fuhr ich mit den beiden Bischöfen Okoro und Vercammen quer durch Slawonien in die Gemeinde Šaptinovci bei Našice, wo wir in geradezu überwältigender Weise empfangen und ins Dorf geleitet wurden. Der Ort Šaptinovci ist mehrheitlich von Alt-Katholiken bewohnt. Ein trotz des Werktags gut besuchter Festgottesdienst schloss Zelebranten und mitfeierndes Volk zu einer großen Festgemeinde zusammen, ein liebevoll zubereitetes Mittagessen im Pfarrzentrum folgte, an dem auch der Bürgermeister teilnahm, und es tat uns sehr Leid, nicht länger bleiben und die herzliche Gastfreundschaft genießen zu können, mussten wir doch noch nach Bosnien zur Gemeinde in Dubrave Donje bei Tuzla weiterfahren. Pfarrer Stjepan Mejaški, seit über vierzig Jahren in dieser Gemeinde tätig, ist es mit seinen Mitarbeitern gelungen, die Kirche im Ort sehr aktiv und lebendig zu erhalten.
Nach einer etwa zweistündigen Fahrt durch den südöstlichen Teil Slawoniens kamen wir an die bosnische Grenze bei Bosanski Šamac und zuerst durch die „Republika Srpska“, den serbischen Teil Bosniens. Nach einer weiteren Stunde erreichten wir in Doboj das Gebiet der kroatisch-muslimischen Föderation und nach einer weiteren Stunde den Ort Živinice bei Tuzla. Dort hatten wir während des Abendessens ein langes Gespräch mit Pfarrvikar Èengiæ, mit Vertretern der örtlichen Gemeinde (Dubrave Donje) und mit einem Anwalt, bevor wir endlich um Mitternacht zum Schlafen kamen.
Am nächsten Tag war auch in Dubrave Donje ein Festtag, schließlich war zum ersten Mal ein Utrechter Erzbischof in der Gemeinde. Der neue Seelsorger, Pfarrvikar Mario Èengiæ, ist erst seit gut einem Jahr im Amt, nachdem es mit dem bisherigen Pfarrer große Probleme gab, die dann zum Abbruch der Gemeinschaft und zu seiner Amtsenthebung führten. Auch hier war die Kirche voll, auch der römisch-katholische Pfarrer, einige Imame als Vertreter der Mehrheitsreligion und der Bürgermeister, Herr Muratoviæ, nahmen am Gottesdienst teil, in dessen Verlauf der Erzbischof predigte und die Firmung spendete. Viele Gespräche nach dem Gottesdienst gaben dem Erzbischof Einblick in die Lage der Alt-Katholiken und auch hier war es wieder erstaunlich, wie gut diese winzig kleine Gruppe, gerade auch seitens der muslimischen Mehrheit, wahrgenommen und geschätzt wird. Bischof John Okoro als zuständiger Ortsbischof dankte allen Vertretern des Staates und der Religionsgemeinschaften für das gute Zusammenleben und die Unterstützung.
Nach dem von den Pfarreiangehörigen liebevoll zubereiteten Mittagessen sahen wir uns die Wohnung des Pfarrvikars an, segneten den Friedhof und hatten dann noch ein sehr interessantes Gespräch im muslimischen Zentrum von Živinice, wo uns der erste Imam, Herr Mehmet ef. Butkoviæ, in die Moschee führte und das islamische Zentrum zeigte, das sogar eine Tekije enthält, ein Gebetszentrum des Naqšbandi-Derwischordens.
Das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen ist sowohl in Kroatien als auch in Bosnien-Herzegowina wesentlich freundschaftlicher und konstruktiver als in den meisten anderen europäischen Ländern, obwohl der „jugoslawische Krieg“, seit nicht einmal zwanzig Jahren vorbei, gerade den Muslimen einen hohen Blutzoll auferlegt hatte. Hier gäbe es für Westeuropäer viel zu lernen. Die Freundlichkeit und Unkompliziertheit, mit der die beiden Bischöfe und ich von den muslimischen Geistlichen aufgenommen wurden, wird uns unvergesslich bleiben.
Diakon Georg Spindler, Gemeinde Rosenheim