Trotz des Fernbleibens von vier eigenständigen Landeskirchen folgen die anwesenden 170 Bischöfe aus 10 orthodoxen Kirchen dem festgelegten Programm der ‚ Heiligen und Grossen Synode‘. Die Vorsteher der vertretenen Kirchen forderten die ferngebliebenen dazu auf, ihre Entscheidung doch noch zu überdenken und nach Kreta zu reisen.
Dem Konzil liegen noch bis zum 27. Juni 6 Beschlussvorlagen zu innerorthodoxen Fragen, sowie zu den Beziehungen zu anderen Kirchen und zur Weltverantwortung orthodoxer Gläubiger vor.
Am Dienstag wurde die erste dieser Vorlagen einstimmig angenommen. Sie befasste sich mit der Mission der orthodoxen Kirchen in der heutigen Welt und ist stark beeinflusst von Metropolit Johannes von Pergamon. Der Text besteht aus fünf kurzen Abschnitten mit den Überschriften „Die Würde der menschlichen Person“, „Freiheit und Verantwortung“, „Frieden und Gerechtigkeit“, „Frieden und Ablehnung des Krieges“ sowie „Die Haltung der Kirche gegenüber Diskriminierung“. In einem abschließenden sechsten Teil geht es um 15 Konkretisierungen zur „Sendung der orthodoxen Kirche als Zeugin der Liebe im Dienen“. Darin werden karitative Themen ebenso angesprochen wie Ungerechtigkeiten im Wirtschaftssystem, Hunger und Armut in der Welt, Umweltzerstörung und -bewahrung, der Schutz des Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod oder ethische Fragen in den Biowissenschaften.
Der Text ist das Ergebnis von fünf vorkonziliaren Konferenzen, die im Laufe der letzten Jahrzehnte in Chambésy in der Schweiz abgehalten wurden. Beim letzten Treffen ist er schon einmal von allen orthodoxen Kirchenführern unterzeichnet worden.
Die zum Konzil versammelten Kirchenführer hoffen nun, dass die vier ferngebliebenen Landeskirchen die Entscheidungen des Konzils hinterher durchlesen und doch noch unterzeichnen. Erzbischof Chrysostomos von Zypern hat mit deutlichen Worten den kirchlichen Nationalismus verurteilt, den schon das Konzil von Konstantinopel 1872 gebrandmarkt hatte. Eine wichtige Aufgabe des gegenwärtigen Konzils wäre also zunächst einmal interne Antworten auf die internen Streitpunkte zu finden.
Bern, 22. Juni 2016