Anfang September hat die Synode der indischen Mar-Thoma-Kirche beschlossen, in Kirchengemeinschaft mit den alt-katholischen Kirchen der Utrechter Union zu treten. Die Kirchen der Utrechter Union hatten nach rund 15 Jahren andauernden ökumenischen Gesprächen diesen Beschluss bereits vor einigen Jahren gefasst. Damit wird eine 1.500 Jahre alte Kirchentrennung zwischen Kirchen Europas und Indiens überwunden.
Erzbischof Bernd Wallet, Präsident der IBK, sagte dazu: „Globale Gemeinschaft ist Teil des katholischen Kircheseins. Diese neue Gemeinschaft schließt sich der kirchlichen Gemeinschaft an, die bereits mit der lutherischen Kirche von Schweden, der Unabhängigen Kirche der Philippinen und den anglikanischen Kirchen besteht. Ich freue mich darauf, unseren Weg nun gemeinsam fortzusetzen.“
Die Mar-Thoma Kirche, die vollständig als Malankara Mar Thoma Syrian Church bekannt ist, hat in Indien über eine Million Mitglieder, die hauptsächlich im südlichen Bundesstaat Kerala in Indien leben. Durch Auswanderer und Missionare ist sie allerdings mit vielen Ländern auf der ganzen Welt verbunden.
Mit dieser Kirchengemeinschaft treten zwei Kirchen in Gemeinschaft, die eine unterschiedliche Sichtweise auf die Beschlüsse des vierten Ökumenischen Konzils von Chalcedon im Jahr 451 haben. Das Konzil von Chalcedon hatte sich mit dem Verhältnis zwischen der göttlichen und der menschlichen Natur in Jesus Christus auseinandergesetzt und die so genannten Zwei-Naturen-Lehre definiert, nachdem Christus als wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich betrachtet wird.
Bei den Gesprächen wurde klar, dass die Mar Thoma Kirche und die alt-katholischen Kirchen der Utrechter Union im grundlegenden Glauben bezüglich der Lehre des Konzils von Chalcedon übereinstimmen. Der Unterschied besteht darin, dass die alt-katholischen Kirchen diesen Glauben nach der Tradition und Sprache des Konzils ausdrücken, die Mar Thoma Kirche jedoch nicht.
Es war Konsens zwischen den beiden Kirchen, dass es vorrangig um die Essenz des Glaubens geht, nicht um den Wortlaut. Die Mar-Thoma-Kirche lehnt weder das Konzil von Chalcedon noch die weiteren späteren Ökumenischen Konzilien des ersten Jahrtausends ab, sondern bringt ihnen Hochachtung und Respekt entgegen. Beiden Kirchen ist die Verbindlichkeit der drei ersten Ökumenischen Konzilien, wie sie sich vor allem auch im Nicaeno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis ausdrückt, wesentlich. Daher erkennen sie an, dass sie durch ihre jeweilige Tradition und Geschichte denselben Glauben der Alten Kirche rezipieren, so dass die Zahl der von ihnen anerkannten Ökumenischen Konzilien ihre Beziehung zueinander nicht beeinträchtigt.
Auf diese Weise ist es dem Dialog zwischen den beiden Kirchen gelungen, trotz dieser unterschiedlichen theologischen Betrachtungsweisen dieses Hindernis für die Gemeinschaft zu überwinden. Dieser historische Schritt bedeutet, dass die Ämter und Sakramente gegenseitig anerkannt werden und die Mitglieder der einen Kirche voll am kirchlichen Leben der anderen teilnehmen können.
Beide Kirchen konnten zueinander finden, weil sie ihre Wurzeln im Glauben der frühen Kirche haben, und die jeweils andere Sichtweise als voll und ganz rechtgläubig anerkannten. Sie haben eine reiche sakramentale Spiritualität, eine kirchliche Organisation mit bischöflicher Leitung und Synoden, ein starkes Engagement für die Ökumene und sind eng mit der jeweiligen lokalen Kultur verbunden.
Besiegelt werden soll die Kirchengemeinschaft am 10. Februar 2024 im indischen Kerala anlässlich einer Konferenz der Malankara Mar Thoma Syrian Church. Eine europäische Feier dieses ökumenischen Durchbruchs soll zu einem späteren Zeitpunkt folgen.
Text: www.alt-katholisch.de