Vom 28. August bis am 5. September 2012 fand in der Orthodoxen Akademie in Kreta die Sitzung des Zentralausschusses des Weltkirchenrats statt. Der Zentralausschuss ist ein Entscheidungsgremium und besteht aus höchstens 150 Mitgliedern, welche die 345 Mitgliedskirchen des Weltkirchenrats repräsentieren. Bis anhin hat sich der Zentralausschuss alle eineinhalb Jahre zu Gesprächen getroffen. Vorgesehen ist neu, dass sich der Zentralausschuss nur noch alle zwei Jahre trifft. An der diesjährigen Sitzung in Kreta haben neben den 143 stimmberechtigen Mitgliedern des Zentralausschusses rund 150 weitere Personen (Berater, Beobachter, Vertreter verschiedener ökumenischer Organisationen, Mitarbeitende des Weltkirchenrats, Stewards und Medienvertreter) teilgenommen. Erzbischof Dr. Joris Vercammen hat als Mitglied des Zentralausschusses und Pfarrer Ioan L. Jebelean aus Luzern als Berater und Vertreter der Utrechter Union an der Konferenz teilgenommen. Im Zentrum des Treffens stand die Vorbereitung der zehnten Vollversammlung des Weltkirchenrats, die vom 30. Oktober bis am 8. November 2013 in Busan, Korea stattfinden wird. Die Vollversammlung in Busan steht unter dem Titel: «Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden». In diesem Zusammenhang wurde auch der Bericht des Planungsausschusses für die Vollversammlung nach Diskussionen und kleinere Änderungen schliesslich genehmigt.
Zu Beginn der Konferenz wurden der Bericht des Vorsitzenden Prof. Dr. Walter Altmann sowie der Bericht des Generalsekretärs Pfr. Dr. Olaf Fykse Tveit besprochen. Der Bericht von Prof. Dr. Walter Altmann trug den Titel «Zeichen für einen Weg nach vorne». Im ersten Kapitel thematisierte er sehr ausführlich verschiedene Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils, beschrieb deren Bedeutung für die ökumenische Bewegung und betonte die Wichtigkeit des Konzils für die Einheit der Christen. Das zweite Kapitel befasste sich mit der Positionierung des Weltkirchenrats und möglichen Stellungnahmen zu brennenden Themen wie Armut und Reichtum, Umweltfragen, wirtschaftliche Globalisierung, Waffenhandel etc. Abschliessend führte Altmann einige Gedanken und Visionen zur Zukunft des Weltkirchenrats und der Ökumene an.
Der Bericht von Pfr. Dr. Olaf Fykse Tveit stand unter dem Titel «Gott des Lebens, führe uns zu Gerechtigkeit und Frieden». Er äusserte sich zu den Hauptaufgaben der Tagung in Kreta und erwähnte das Zusammentragen der seit der neunten Vollversammlung geleisteten Arbeit des Weltkirchenrats und deren Aufbereitung für die zehnte Vollversammlung in Busan. Weiter widmete er sich der geplanten Restrukturierung und Neuorganisation des Weltkirchenrats und fasste die in den letzten Jahren geleistete Arbeit und Aktivitäten des Weltkirchenrats zusammen. (Hinweis: Beide Berichte in voller Länge und alle weiteren Dokumente der Tagung finden Sie bis Ende Oktober 2012 unter www.crete2012.org, Benutzername: visitor, Passwort: Crete2012)
Weitere wichtige Berichte wurden im Verlauf der Tagung präsentiert und ausführlich diskutiert. Der Bericht «Die Kirche» vom Departement Glaube und Kirchenverfassung wurde einstimmig genehmigt. Im Bericht «Gemeinsam für das Leben: Mission und Evangelisation in sich wandelnden Kontexten» vom Departement Weltmission und Evangelisation wurdenZiele, Visionen und Konzepte für ein neues Verständnis und eine neue Praxis der Mission und Evangelisation im veränderten Kontext vorgestellt. Die Stellungnahme «Erklärung zur Einheit» wurde diskutiert, leicht geändert und schliesslich angenommen und kann der zehnten Vollversammlung in Busan zur Genehmigung vorgelegt werden. Weiter hat der Zentralausschuss des Weltkirchenrats zu verschiedenen aktuellen Themen wie beispielsweise zur Finanz- und Wirtschaftskrise in Griechenland, zur politischen Situation in Syrien, Pakistan, Albanien und Myanmar Stellung genommen. Darüber hinaus wurden lebhafte Diskussionen über verschiedene gesellschaftliche und politische Themen und Brennpunkte, wie das Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd oder Genderfragen geführt. Auch der Einbezug von Menschen mit Behinderungen und Jugendlichen im Weltkirchenrat sowie das Gefälle zwischen Laien und Ordinierten innerhalb des Weltkirchenrats wurden lebhaft diskutiert.
Am Sonntagabend, 3. September 2012 stand der Besuch des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I, auf dem Programm. Er hielt eine Ansprache, die öffentlich zugänglich war und auch von vielen Besuchern mit Interesse verfolgt wurde. In seiner Ansprache machte sich der Ökumenische Patriarch Gedanken zum Thema der zehnten Vollversammlung. Er betonte die Freiheit der Schöpfung und die Bedeutung dieses Geschenks Gottes an uns Menschen sowie die daraus resultierende Verantwortung, der gesamten Schöpfung Sorge zu tragen. Leider war es den Teilnehmenden nicht möglich, nach der Ansprache mit dem Ökumenischen Patriarchen ins Gespräch zu kommen.
Trotz des sehr ausgefüllten Tagesprogrammes, kam auch die Spiritualität nicht zu kurz. Jeder Tag wurde mit einem gemeinsamen Gebet und einer Stunde Bibelarbeit begonnen. Die Bibelarbeiten wurden von einem indisch-orthodoxen Priester und einer amerikanischen Protestantin geleitet. Aktuelle Themen wie beispielsweise Ökologie, Macht, Frieden oder Genderfragen wurden in der Bibelarbeit aufgegriffen. Die gemeinsamen Abendgebete wurden mit Beiträgen aus verschiedenen Regionen musikalisch begleitet. Mir und auch den orthodoxen Vertretern ist aufgefallen, dass die Formel «Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist» in den Abendgebeten nie erwähnt worden ist. Es ist bedauerlich, dass im Rahmen ökumenischer Tagungen und Feiern die «Trinität» zu Beginn eines Gebets und im Schlusssegen nicht mehr erwähnt wird. Gleichwohl ist und war es sehr wichtig, dass wir uns als Altkatholische Vertreter im Weltkirchenrat engagieren. Durch unsere Teilnahme und unseren Beitrag an der Arbeit des Weltkirchenrats stehen wir dafür ein, dass Minderheiten und kleinere Kirchengemeinschaften nicht vergessen werden. Die Mitarbeit im Programmausschuss sowie die konstruktiven Anmerkungen von Erzbischof Dr. Joris Vercammen im Plenum wurden geschätzt und dankbar angenommen. Wichtig war uns auch, Zeit für die Pflege persönlicher Kontakte und Beziehungen sowie den Austausch mit Vertretern verschiedener Kirchen, Konfessionen und Institutionen zu haben. So zum Beispiel für Gespräche mit den Vertretern des Vatikans, der Orthodoxen Kirche, der Anglikanischen Kirche, der Lutherischen Kirche, unserer Philippinischen Schwesterkirche oder der Mar Thoma Kirche.
Pfr. Ioan L. Jebelean