52. Generalsynode der Iglesia Española Reformada Episcopal

Als am 2. Juni in der Catedral de Cristo Redentor in Madrid der Abschlussgottesdienst der 52. Generalsynode der spanischen reformierten Episkopalkirche (kurz IERE genannt) gefeiert wurde, lag eine Menge Arbeit hinter den Synodalen. Man konnte die grosse Freude in ihren Gesichtern sehen, dass trotz einer langen Tagesordnung, trotz manch hitziger Debatte und teilweise grosser Meinungsverschiedenheiten die Synode zu einem guten Abschluss gekommen war. 

„In die Zukunft schauen“ lautete das Motto in diesem Jahr, das die Arbeit der Synodalen dazu inspirieren sollte, den Blick auf die Situation der Kirche zu richten. Wo steht die Kirche heute? Welchen Problemen hat sie sich heute in Spanien zu stellen? Welche guten Erfahrungen helfen ihr auf dem Weg nach vorn? Wie soll sie sich entwickeln – und wohin?

Um Antworten auf  diese und ähnliche Fragen zu finden, diskutierten die Delegierten, die alle zwei Jahre aus den in ganz Spanien verteilten selbstständigen Missionen und Kirchgemeinden zur Generalsynode zusammen kommen. Beeindruckt hat mich dabei die Offenheit und Klarheit, mit der auch Konflikte angesprochen wurden. Ob Laien oder Geistliche, bei allen Beteiligten konnte ich die Liebe zur Kirche und den Eifer, sie in eine gute Zukunft zu führen, immer spüren. Natürlich gab es (ganz dem Image des spanischen heissblütigen Temperaments entsprechend) auch hitzige Auseinandersetzungen, zu denen die Beschreibung „hier brennt die Luft“ gut passt. Die Meinungen, welche Akzente zu setzen und wie Probleme zu lösen sind, waren halt manchmal kontrovers. Auch die Frage, wer eigentlich in einer bischöflich-synodalen Kirche worüber bestimmen darf (Bischof, Geistliche, Laien), wurde je nach Anliegen durchaus verschieden beantwortet. Gleichzeitig war ich davon beeindruckt, wie harmonisch dann doch die gemeinsamen Entscheidungsfindungen verliefen und letztlich ein Votum herauskam, das allen passte, weil jeder an der Meinungsbildung teilnahm.

 

Schwierige kirchliche Situation

Man muss sich bewusst machen, dass die Situationen der Gemeinden vor Ort sehr unterschiedlich sind. Spanien ist ein riesiges Land mit politisch sehr unterschiedlich geprägten Regionen und aktuell vielen wirtschaftlichen Problemen, die sich auch im kirchlichen Leben niederschlagen. Eine Kirche, die von den Spenden ihrer Mitglieder lebt (Kirchensteuer gibt es nicht), kommt finanziell schnell an ihre Grenzen, wenn die Mitglieder kein Einkommen mehr bzw. nur eine kleine Arbeitslosenhilfe haben. In einigen Gemeinden fehlen inzwischen die aktiven Mitglieder, weil sie ins Ausland gehen, um Arbeit zu finden. Das macht den Alltag des Gemeindelebens schwer, weil menschliche und finanzielle Ressourcen fehlen. Dennoch habe ich keine resignierte oder gar fatalistische Stimmung festgestellt, und nicht einmal den Ruf nach mehr Geld vom Bistum. Im Gegenteil, die Kirche wächst langsam, aber stetig, und das verdankt sie meiner Meinung nach den auf angenehme Weise frommen und überzeugenden Menschen, die sie vertreten. So war es für alle auch ein Moment der Freude, als die Synode über eine neue Gemeinde abstimmen sollte. Die ehemalige Mission Santa Olalla in Toledo wurde durch Synodenbeschluss zur Pfarrgemeinde erhoben. Hier konnte man spüren, dass die finanziellen und personellen Engpässe kein Anlass zur Resignation sind, sondern die Freude am Zeugnis für Christus und seine Kirche ganz oben steht. Nicht der schwierige Weg wurde betont, sondern die Freude über eine lebendige Gemeinde, auf die die ganze Kirche stolz sein kann. Probleme sieht man und sucht nach Lösungen, aber man lässt sich nicht von ihnen einschüchtern. Das hat mich berührt.

 

Eine Frage der Identität

Auf dem Synodenprogramm stand auch die Diskussion und Verabschiedung eines Bistumsplans (plan diocesano). In den Bereichen Gemeinschaft, Gebet/Anbetung, Nachfolge/Jüngerschaft, Evangelisation und Diakonie will sich das Bistum in den nächsten fünf Jahren Schwerpunkte für die Entwicklung ihrer Pastoral und Katechese sowie des Gemeindelebens insgesamt setzen. Bestimmte Ziele sollen auf Gemeinde- und Bistumsebene formuliert und deren Erreichung durch die Gremien vor Ort wie auch durch die Synode kontrolliert werden. Dies soll die Verantwortlichen in der Kirche auf allen Ebenen einerseits mehr in die Pflicht nehmen, andererseits aber auch in ihrem Dienst stärken und unterstützen. Grundsätzlich geht es beim Bistumsplan um die Frage der Identität der Kirche und ihrer einzelnen Mitglieder, eine Identität, die innerlich den Zusammenhalt und die Nachfolge fördert, und die äusserlich erkennbar ist und damit der Kirche ein positiveres Profil gibt. Denn offensichtlich gibt es hier und da doch auch traurige Stimmen zu hören, die lamentieren, dass es der Kirche ja schlecht gehe in diesen wirtschaftlich schweren und religiös säkularen Zeiten. Dazu nahm Bischof Carlos bereits in der Eröffnungspredigt deutlich Stellung: „ Nein, der Kirche geht es nun wirklich nicht schlecht. Vielleicht geht es uns sogar zu gut“, betonte er und spielte dabei auf die spanische Geschichte an, besonders auf die Zeit unter Franco, die 40er Jahre. „Als unsere Geistlichen verfolgt, verhaftet und erschossen wurden, als viele ins ausländische Exil fliehen mussten, um zu überleben, als die grosse Kirche Roms mit den politischen Mächten paktierte – vielleicht auch nur, um zu überleben, wer weiss das schon – da ging es unserer Kirche schlecht, weil sie in ihrer Existenz bedroht war vom erklärten politischen Willen, sie mit Gewalt auszulöschen.“ Was die Kirche halte und eine sei damals wie heute der Herr selbst, der auch mitten im Sturm in ihrem Boot sitze und der die Macht habe, dem Sturm zu gebieten, damit das Schiff sicher ans Ufer gelangen könne. Mit seinen klaren Worten wollte Don Carlos erklärtermassen denen begegnen, die meinen, man könne ja doch nichts machen und ihre Kirche sei zu klein, um etwas zu bewegen. Schliesslich sei die Kirche, ob gross oder klein, die Kirche des Herrn. Sie sei das Boot, in dem der Herr bei seinen Jüngern ist. Das sei die Botschaft, die Mut mache und die wir alle bräuchten, um über den eigenen Problemhorizont hinauszublicken. Der Ort, sich darin bestärken zu lassen, sei der Gottesdienst, die liturgische Versammlung der Gemeinde, wo sich die Gebete vereinen und wir gemeinsam das Wort Gottes hören. Darum wurden die Synodentage natürlich auch begleitet durch Laudes (Morgengebet), Vesper (Abendgebet) und „Kommunionfeier“, wie die Eucharistiefeier dort genannt wird.

Übrigens, die IERE feiert ganz im Stil der altspanischen Kirche die mozarabische Liturgie. Diese hatte im 7. Jahrhundert in ganz Spanien ihre Blütezeit. Nach der arabischen Invasion im Jahr 711 hielt die spanische Kirche bewusst an dieser Eigenliturgie fest. Im 11. Jahrhundert setzte dann Papst Gregor VII. durch, dass im Zuge der Reconquista die römische Liturgie gefeiert wurde, und verbot die mozarabische. Lediglich in Toledo hat sie sich erhalten und geriet Dank Kardinal Cisnéros nicht in Vergessenheit. Er war es nämlich, der um 1500 ein Missale und ein Offizienbuch drucken liess, die in einer Kapelle der Kathedrale von Toledo täglich gebraucht wurden.

 

Katholisch und anglikanisch?

Was die Frage der Identität weiter betrifft, fand ich eine Fragestellung besonders spannend, nämlich wie die IERE eine eigene, katholische Identität pflegen und gleichzeitig Teil der protestantisch-reformierten Tradition der Anglikanischen Gemeinschaft sein kann, zu der sie ja gehört. Beides ist den Synodalen wichtig, das war klar zu spüren. Aber offensichtlich bietet die anglikanische Zugehörigkeit wohl immer wieder auch Anlass zur Verwechslung, mindestens aber zu Unklarheit. Schliesslich ist die IERE eine reformierte, aber katholische Kirche. Spannend war dieses Thema auch deshalb, weil relativ viele anglikanische Geistliche (aus England, USA, Kanada und Australien)  in Spanien leben und als Pfarrerinnen und Pfarrer der IERE arbeiten. Dieses Thema wurde durchaus auch aus ökumenischer Sicht beleuchtet, denn Ökumene sei nur dann wirklich machbar, wenn man wisse, wo der ökumenische Partner stehe und wohin er gehöre. Die IERE ist integriert in die Anglikanische Gemeinschaft und arbeitet mit der FEREDE zusammen („Federación de Entidades Religiosas Evangélicas de España“ – Gesellschaft der evangelischen Religionsgemeinschaften in Spanien). Gleichzeitig legt sie grossen Wert auf ihre Katholizität und Eigenständigkeit als katholische, bischöflich-synodale Kirche. Auch in den sehr ausführlichen Berichten aus den Gemeinden und Missionen leuchtete die Frage nach erkennbarer Identität immer wieder auf.

 

Verbundenheit mit anderen Kirchen

Äusserlich sichtbar war die Verbundenheit der IERE zu anderen Kirchen unter anderem auch durch die offiziellen Kirchenvertreter, die als Gäste an der ganzen Synode teilnahmen. So war der erst wenige Wochen zuvor geweihte Bischof der Igreja Lusitana (Comunión Anglicana, Portugal), Don Jorge Pina Cabral, während der ganzen Synode anwesend, ebenso der Vertreter des Erzbischofs Justin Welby von Canterbury, Msr. Dr. Anthony Ball aus England, der übrigens auch ein neues Buch des anglikanischen Bischofs N. T. Wright vorstellte („Después de creer“, auf Spanisch geschrieben), und ich als Vertreter der Internationalen Bischofskonferenz der Utrechter Union im Auftrag des Erzbischofs von Utrecht, Dr. Joris A.O.L. Vercammen. Dieser betonte in seinem Grusswort, dass wir als Kirchen viele Gemeinsamkeiten hätten, auch wenn wir uns in unserer historischen Entwicklung und in manchen kirchlichen Formen unterscheiden würden. Wir seien aber als wirkliche Schwesterkirchen gemeinsam auf dem Weg, weshalb es so wichtig wie erfreulich sei, dass Bischof Carlos an den regelmässigen Konferenzen der Bischöfe aus den altkatholischen Kirchen und der Anglikanischen Gemeinschaft teilnehme.

 

Wahlen und Entscheidungen

Die Synode wählte ein neues Leitungsgremium, die so genannte „Comisión Permanente“, die Ständige Kommission, die zwischen den Synoden gemeinsam mit dem Bischof das Bistum leitet und die Amtsgeschäfte führt. Gewählt wurden Don Francisco Javier Alonso aus Vigo; Don Rafael Arencon aus Reus, Tarragona; Don Ian Batey aus Sevilla). Zum Generalvikar wurde der Moderator der Synode gewählt, Don Rafael Arencón.

Für das Departement für Evangelisation wurde ebenfalls eine neue Leitung gewählt, das Kirchenrecht wurde in Teilen diskutiert und Anpassungen entschieden, die Gründung einer Kulturstiftung des Bistums wurde aufgegleist, um bestimmte Anliegen auf Bistums- oder Gemeindeebene finanziell fördern zu können.

Deutlich abgelehnt wurde der Antrag einer Kirchgemeinde, homosexuelle Menschen mehr ins kirchliche Leben einzubeziehen und ihre Lebenssituation auch pastoral zu berücksichtigen. Die Repräsentantin der Frauenarbeit im Bistum warb darum, die Frauenarbeit zu fördern und besonders die Pfarrfrauen darin zu unterstützen, an den Angeboten des Bistums teilzunehmen und damit auch andere Frauen zur Teilnahme zu ermutigen.

 

Prosit!

Nach langen Sitzungen, nicht gehaltenen Pausen, viel zu langen Sitzungen, hitzigen Debatten, beruhigenden Gottesdiensten, unterschiedlichen Zukunftsperspektiven  und vielen wichtigen Entscheidungen endete die letzte Plenumssitzung am 1.6. um kurz vor Mitternacht. Alle waren sehr müde, aber doch zufrieden über das Erreichte, und gingen – ganz nach spanischer Manier – danach erst einmal zum Abendessen ins Restaurant!
Ich kann nur dankbar zurückblicken und wünschen: Prosit – es möge nützen! Und vielen Dank für die geschwisterliche und herzliche Gastfreundschaft.

 

Pfr. Christian Edringer