Der Lutherische Weltbund (vertreten durch seinen Präsidenten Bischof Munib Younan und seinen Generalsekretär Martin Junge) und der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen (vertreten durch Papst Franziskus und Kurt Kardinal Koch) begingen am 31. Oktober 2016 ein gemeinsames Reformationsgedenken zum 500. Jahrestag in Lund. Zu diesem Anlass in der Kathedrale von Lund (Gottesdienst) und in der Sportarena von Malmö (Wie können wir dem Evangelium und der Welt gemeinsam dienen?) war ich als Vertreter der Utrechter Union eingeladen.
Feiern oder Gedenken?
Was gibt es eigentlich zu feiern? Schliesslich hat die Reformation die Kirche gespalten. So könnte man argumentieren. Die andere Sicht ist die: Es gab schon vorher Spaltungen. Fast jede Spaltung der Kirche beruht auf dem Ringen um Wahrheit; so ist es auch bei uns Altkatholiken beim Unfehlbarkeitsdogma und dem päpstlichen Jurisdiktionsanspruch geschehen.
Es ist der Verdienst von Luther die Ausrichtung des Menschen allein auf Christus (Gnade und Rechtfertigungslehre) und das eigenverantwortliche Lesen und Handeln nach der Heiligen Schrift in Erinnerung gerufen zu haben. Die dadurch bedingten theologischen Unterschiede um das Amt, die Kirche und die Eucharistie/das Abendmahl lassen sich heute vermutlich lösen. Auch hat die katholische Kirche durch das Reformkonzil von Trient viele Anliegen der Reformation aufgenommen und umgesetzt. In diesem Sinne hat die Reformation viel Positives bewegt. Der lutherische – römisch-katholische Dialog auf Weltebene kommt anscheinend sehr gut voran. Allerdings setzen die Lutheraner zurzeit eher auf das Modell der versöhnten Verschiedenheit und der praktischen Zusammenarbeit ohne strukturelle Konsequenzen. Die Art und Weise wie die Kirche geleitet wird und sich der Wille Gottes bzw. der Heilige Geist dabei am besten zeigt, hat im Laufe der Kirchengeschichte unterschiedliche Antworten erfahren. Allerdings wünscht sich der Lutherische Weltbund im Hinblick auf konfessionsverschiedene Ehen eine eucharistische Gastfreundschaft der römisch-katholischen Kirche.
Warum in Lund und nicht in Wittenberg?
Es ist zu respektieren, dass der Lutherische Weltbund – wie andere Weltbünde bzw. Denominationen auch – heute keine allein deutschsprachige oder europäische Sache mehr ist, sondern schon länger weltweite Dimensionen hat. Sein Präsident kommt aus dem arabischen Raum; sein Generalsekretär aus Südamerika. Deshalb eröffnet der Lutherische Weltbund das Jahr des Reformationsgedenkens in Lund, wo er vor 70 Jahren gegründet wurde, und hält seine Generalversammlung 2017 in Windhuk (Namibia) ab. Den Papst nach Wittenberg einzuladen, hätte diese weltweite Dimension durchkreuzt. Auch kam dies den Überlegungen Roms entgegen, den Schwerpunkt auf die Sachfragen zu setzen und nicht auf die Person Luthers. Denn das „Luthertum“ hat heute als weltweite Gemeinschaft in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Gesichter und theologische Lehrmeinungen.
Wie können wir dem Evangelium und der Welt gemeinsam dienen?
Aus der Predigt von Generalsekretär Dr. Martin Junge, der Ansprache von Präsident Bischof Munib Younan, der Predigt und der Ansprache von Papst Franziskus und der verabschiedeten Gemeinsamen Erklärung lässt sich folgendes ableiten: Der Lutherische Weltbund und die römisch-katholische Kirche bekennen, dass in der Vergangenheit grosse Fehler und Missverständnisse auf beiden Seiten passiert sind und bitten Gott um Verzeihung. Der Wunsch nach Versöhnung und Einheit ist vorhanden. Allerdings lässt der derzeitige Stand des gemeinsamen Dialoges trotz aller Annäherung und Versöhnung nur eine vermehrte praktische Zusammenarbeit zu. Gemeinsam will man sich verstärkt für die Bewahrung der Schöpfung, die Flüchtlinge und gegen jede Form von Gewalt, Unterdrückung, Diskriminierung und Ausbeutung einsetzen. Trotzdem ist viel erreicht worden und der gemeinsame Dialog und Weg gehen weiter.
Man muss sich zugleich darüber im Klaren sein, dass es die „Reformationskirchen“ im eigentlichen Sinne gar nicht gibt. Die Unterschiede sind frappierend; vor allem auch zwischen den lutherischen und den reformierten Kirchen. Hinzu kommen die anglikanischen und die methodistischen Traditionen usw. Die (lutherische) Kirche von Schweden und die christkatholische Kirche zum Beispiel sind sich näher, als der Schweizerische Evangelische Kirchenbund und die VELKD (Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands). Daher macht es auch für die römisch-katholische Kirche Sinn differenzierend vorzugehen. Man wird auf die weitere Entwicklung sehr gespannt sein dürfen. Jedenfalls war in Lund eine Aufbruchsstimmung spürbar.
Bischof Dr. Harald Rein, Sekretär der IBK
am 1. November 2016
Präsident des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Younan und Papst Franziskus: Foto von Marie Renaux/LWB
Kathedrale Lund während des Gottesdienstes: Foto von Mikael Ringlander
Bischöfe Jorge Pino Cabral (Lusitanische Kirche Portugal), Harald Rein (Christkatholische Kirche der Schweiz), Carlos Lopez-Lozano (Spanisch Reformierte Episkopalkirche): Foto von Bischof Harald Rein